BiPV

Einführung

Aktuell bestehen Anforderungen hinsichtlich eines verstärkten Einsatzes erneuerbarer Energiequellen zur Deckung des Energiebedarfs. Aufgrund dessen steigt die Anzahl an verwendeter gebäudeintegrierter Photovoltaik (PV), wodurch der Integration in die Architektur und Gebäudestruktur in der zeitgenössischen Architektur eine immer wichtigere Bedeutung zukommt. Auch wenn es in der Schweiz bereits viele verschiedene Beispiele für Gebäudeintegrationen gibt, hat sich die Photovoltaikinstallation an Gebäuden bisher auf die Energieaspekte konzentriert; die ästhetischen, baulichen und funktionalen Gesichtspunkte der Architekturprojekte wurden jedoch als zweitrangig angesehen. In der EU-Richtlinie 2010/21 wurde festgelegt, dass ab 2020 alle neuen Gebäude Nearly-Zero Energy Buildings (NZEB bzw. Nullenergiegebäude) sein müssen. In der Schweiz ist diese Direktive bereits im Minergie-A-Standard implementiert. Dies wird sich nicht nur auf die Planung von Gebäuden (passive Strategien, angemessene Auswahl von Materialien und effizienten Systemen) auswirken, indem ihr Energiebedarf gemindert wird, sondern auch auf den verstärkten Einsatz von Technologie zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen (wie Photovoltaik oder Solarthermik) an Ort und Stelle, welche den übrigen Anteil an erforderlicher Energie produzieren. Aufgrund der zunehmenden Beliebtheit von Solartechnologien, insbesondere von Photovoltaiksystemen, muss einer wahllosen Verwendung dieser Anlagen vorgebeugt werden. Dementsprechend sollten sich vor allem Fachleute, die im Bausektor tätig sind, mit dem Innovativsten auskennen, das die Photovoltaik zu bieten hat: die Integration von Photovoltaik-Elementen in Gebäude und Architektur (Building-integrated photovoltaics, BiPV). Da BiPV-Systeme gleichzeitig Teil der Gebäudehülle/des Gebäudesystems und Stromerzeuger sind, ermöglichen sie eine Reduzierung der anfänglichen Investitionskosten, da die Materialien und der Arbeitsaufwand für die Realisierung der Photovoltaik-Anlage geringer sind als bei einer traditionellen Ausführung, bei der die Photovoltaik-Module nicht die konventionellen Bauteile ersetzen. Die Technologie ist vielseitig und kann sowohl in Neubauten als auch in Bestandsgebäuden optimal eingesetzt werden. Diese wohl überlegte Verwendung von Materialien ermöglicht eine Reduzierung der Menge an grauer Energie, die für die Realisierung des Gebäudesystems und der Photovoltaikanlage erforderlich ist. Dank der Nutzung der PV-Technologie an Ort und Stelle wird nicht nur die Verwendung von nicht erneuerbaren Energieträgern (fossile Brennstoffe und Kernbrennstoffe), sondern auch der Ausstoss  von Treibhausgasen verringert. Dies alles führt dazu, dass der Bereich der BiPV-Technologie in der Photovoltaik-Industrie die höchste Wachstumsrate aufweist. 

Die Abkürzung BiPV steht für Systeme und Konzepte, in denen das Photovoltaik-Element nicht nur die Funktion eines Stromerzeugers, sondern auch die eines Bauteils übernimmt. In den letzten Jahren entwickelte sich die Integration von PV-Modulen in die Architektur stark weiter. Die neuen Produkte sind aufgrund ihrer Grösse und Merkmale in der Lage, einige traditionelle Baukomponenten vollständig zu ersetzen.

Unter einem BiPV-Bauelement verstehen wir eine Baukomponente, die als Teil der Gebäudehülle (Element der Bedachung, der Fassadenverkleidung und der Fensterfläche), als Beschattungsvorrichtung (Sonnenschutz), als «zusätzliches» Architekturelement (Überdachung, Balkonbrüstung, etc.) und als jedes sonstige architektonische Element (optische und akustische Abschirmung), das für eine fachgerechte Funktionsweise des Gebäudes notwendig ist, verwendet wird.  Ausgeschlossen von dieser Definition sind demnach gebäudeunabhängige oder gebäudeergänzende Anlagen, wie Paneele, die einfach auf bestehende Dächer aufgelegt oder befestigt werden, oder andere PV-Systeme, die einfach an Gebäudeteilen fixiert werden und einzig und allein die Aufgabe haben, Strom zu produzieren (Lösungen, die bei den heutzutage installierten Photovoltaikoberflächen am häufigsten vertreten sind). Neben dem Konzept der BiPV im engeren Sinne des Wortes wird die PV-Integration neben der Anwendung bei Gebäuden auch in «urbane» Strukturen und den Transportsektor (Überdachungen, Unterstellschutz für Fahrzeuge, Sportanlagen und Spielplätze, Bushaltestellen etc.) sowie in die Landschaft eingebunden.

BIPV: Funktionalität und Architektursprache 

Das Konzept der BiPV, wie es typisch für den Bausektor und die Architektur ist, umfasst zwei komplementäre Aspekte: Der erste ist die Multifunktionalität der Solarkomponente beziehungsweise die bauliche/funktionale Integration. Dem gegenüber steht der Aspekt der ästhetischen Integration, d. h. der architektonischen Qualität der Integration. Im Grossen und Ganzen bestand der Einsatz von Photovoltaik bisher jedoch vorrangig in der «Anbringung» anstatt in der «Integration». In vielen Fällen werden die Module nämlich einfach als externe Komponente an der Gebäudehülle angebracht und weisen sonst keine baulichen Fähigkeiten oder Funktionen auf. Zudem wird die architektonische Qualität, auch oftmals bei korrekter funktionaler Integration, nicht immer als wichtige Voraussetzung des BiPV-Systems und leider beinahe als ein zusätzliches Merkmal gesehen. Dies liegt an der getrennten Herangehensweise an Projekte, bei der die disziplinäre Spezialisierung Vorrang gegenüber einem umfassenderen und bewussteren Blickwinkel eines ganzheitlichen Konzepts hat. «Ich stelle mir vor, dass diese Paneele in die Fassaden- und Dächerkonstruktion integriert werden und dass der Zyklus der Sonne die Gestalt bzw. Form der Gebäude bestimmt, sodass die Energieeinspeisung maximiert werden kann. Für mich bestand in Sachen Nachhaltigkeit nie ein Konflikt zwischen der Suche nach Ästhetik und Hochleistung» (Lord Norman Foster, Schweizer Solarpreis 2010, S. 3–4).  

Eine BiPV-Komponente hat demnach nicht nur die Aufgabe, Energie zu produzieren, sondern erfüllt zudem eine zusätzliche Eigenschaft (bzw. übernimmt auch eine zusätzliche Funktion). Dies bedeutet, dass die PV-Schicht/-Komponente nicht einfach so vom Gebäude entfernt werden kann, ohne dabei wichtige strukturelle oder technische Eigenschaften von Gebäudeschichten oder des gesamten Baus zu beeinträchtigen (der per Definition ohne die Photovoltaik-Komponente unvollständig ist). Neben dieser funktionalen/technischen Funktion ist es von grundlegender Bedeutung, die verschiedenen Akteure des Projekts (vor allem die Architektinnen und Architekten) dazu anzuregen, sowohl die technischen als auch die architektonischen und ästhetischen Aspekte der Photovoltaik in Betracht zu ziehen, um die Akzeptanz und Qualität der dezentralisierten Stromerzeugungssysteme zu steigern, denn die Qualität der architektonischen und urbanen Räume, die sich durch PV-Systeme auszeichnen, steht in einer engen Wechselbeziehung mit einer komplexen Verbindung von funktionalen, baulichen, energetischen und ästhetischen Aspekten.

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Im Bauwesen gibt es zwei wesentliche Arten der Integration:

Die funktionale Integration bezieht sich auf die Funktion, die die Photovoltaikmodule innerhalb des Gebäudesystems übernehmen. Aus diesem Grund kann man von Multifunktionalität oder vom Kriterium der Doppelfunktion  sprechen. Die Photovoltaikmodule werden als gebäudeintegriert  betrachtet, wenn sie die Funktion einer Gebäudekomponente übernehmen, wie sie zum Beispiel in der EU-Bauproduktenverordnung 305/2011  definiert wird. Die baulichen Funktionen, welche die BiVP übernimmt, können folgende sein:

-  Schutz vor Wettereinflüssen  (Regen, Schnee, Wind, Hagel);
- Schutz vor UV-Strahlen,
- Härte, mechanischer Widerstand und strukturelle Integrität,
- Beschattung /Tageslichtbeleuchtung.

Das BiPV-Modul ist demnach eine Voraussetzung für die strukturelle Integrität des Gebäudes.

Die ästhetische (architektonische, figurative) Integration bezieht sich hingegen  auf das architektonische Konzept und auf das Erscheinungsbild des Gebäudes und ist nur schwer eindeutig   zu definieren. Die ästhetische ( gestaltlich-figurative) Integration ist als Fähigkeit der Photovoltaik zu sehen, Regeln der Gestaltung und der «Sprache» zu definieren, denen der Bau und die Komposition der Architektursprache des Gebäudes unterliegen. In der zeitgenössischen Architektur hat das Erscheinungsbild einen der grössten Wiedererkennungswerte eines Gebäudes und ist ein neues spezifisches Innovationsgebiet, das immer stärker mit der «Solararchitektur» in Verbindung steht. In jedem Fall kann keine Definition mit Sicherheit und Objektivität bestimmen, was hinsichtlich der architektonischen Integration als akzeptabel gilt, aber den Architekt/-innen  und anderen Involvierten kann damit durchaus dabei geholfen werden, nützliche Orientierungshilfen zu bestimmen Alle Merkmale eines Photovoltaiksystems, die dem Gebäude sein Aussehen verleihen (zum Beispiel  die formalen  Eigenschaften), sollten mit seinem Gesamtentwurf  kohärent sein. Dazu zählen die folgenden Beispiele (Quelle : IEA T.41.A.2):

- die Position und die Größe der Module müssen  mit der architektonischen Komposition  kohärent sein;
- die sichtbaren Materialien des PV-Moduls, die Oberflächentextur und die Farbe sollten  mit den anderen Materialien der Gebäudehaut, mit den Farben und mit der Textur, mit denen sie zusammenwirken, kohärent sein;
- die Grösse  und die Form der Module  müssen mit dem Strukturgitter und mit  den verschiedenen Grössen der Gebäudehülle kompatibel sein;
- die Verbindungssysteme müssen in der  Auswahlphase sorgfältig bedacht werden, da die Verbindungen einen Einfluss auf das Erscheinungsbild des Modulgitters des Systems haben.

BiPV wird in der Zukunft immer mehr zum Repertoire der zeitgenössischen Architektur und der Architektinnen und Architekten zählen und wie jedes andere Baumaterial genutzt werden. Das Festlegen von Grundregeln für BiPV-Projekte sollte dann nicht mehr sinnvoll sein, da das Risiko besteht, den laufenden Prozess der architektonischen Innovationen mit vom Kontext losgelösten «stilistischen» Regeln und Auflagen zu beeinflussen und aufzuhalten. Wie heutzutage beispielsweise kein/e Architekt/-in mehr mit einem allgemeinen Handbuch zu den Regeln der Montage von Fassadenöffnungen einverstanden wäre, ist es auch nicht denkbar, in der Debatte der zeitgenössischen Architektur die Herausforderung der BiPV über den Anspruch zu bewältigen, einfache Anweisungen zu einer «funktionsfähigen» Projektplanung zu bestimmen. Viele internationale Beispiele dienen als nützlicher Anhaltspunkt und eine erste Beurteilung der architektonischen Qualität der BiPV ist bereits möglich

Die Rolle des Architektinnen und Architekten

Die Reduktion des Energieverbrauchs und die Verwendung von erneuerbarer Energie sind Themen, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung zu wichtig sind, um vom Architektursektor ausser Acht gelassen zu werden. In diesem Zusammenhang nimmt die Architektin bzw. der Architekt eine sehr wichtige Rolle ein, weil sie/er als Berater vor der Kundschaft auftritt. Sie bzw. er hat die Pflicht, die Kunden über die Vorteile eines Gebäudes mit geringem Energieverbrauch zu informieren, mit dem der Energiebedarf (und damit die Kosten, die hinsichtlich der Auswirkung auf Umwelt und Wirtschaft entstehen) drastisch gesenkt und bei welchem erneuerbare Energie verwendet werden kann.
Die Architektin bzw. der Architekt muss also über die erforderlichen Kenntnisse und Instrumente verfügen, um hier die gebäudeintegrierte Photovoltaik fördern zu können. Möglichkeiten, Pflichten, Vorteile und Schwierigkeiten eines BiPV-Projekts müssen verstanden und in Betracht gezogen werden. Wenn man dies bei einer gebäudeintegrierten Photovoltaik von Anfang an bei der Planung berücksichtigt, ist vom ästhetischen, energetischen und finanziellen Gesichtspunkt eine bessere Integration möglich.

Einhaltung der Grundregeln des PV
Die PV-Anlage muss natürlich die Effizienzkriterien bezüglich der Energieproduktion erfüllen, insbesondere in Bezug auf die Positionierung, die Ausrichtung der Module und das Fehlen von Beschattung (Entwurfsanforderungen).